Montag, 20. Oktober 2008

Glaube versöhnt

Gestern waren mein einheimischer Kollege und ich im Stadtteil Gasenyei. Ein Viertel, das im Krieg heftig getroffen wurde. Seit einigen Monaten wird dort wieder ein Gottesdienst gehalten. Im ehemaligen Lager eines Berufsschulzentrums. Das Zentrum ist verfallen, wo mal Bänke standen wachsen Bäume und die Tafeln werden für Triviales missbraucht, anstatt Bildung zu fördern.
Typisch afrikanisch kamen wir eine halbe Stunde nach Gottesdienstbeginn an. Trommeln und Gesänge waren schon von Weitem zu vernehmen, doch als wir eintraten, wird das Gehörte in den Schatten gestellt. Tanzen, lautes Singen, fröhliche Gesichter – Menschen, die ihren Glauben fröhlich leben und das in einem Stadtviertel mit hoher Armut und tiefen Kriegswunden. Nicht nur äußerliche, wie das zerstörte Zentrum. Auch innerlich sind viele noch verwundet – traumatisiert. Und dann so eine Atmosphäre? Das straft doch jeglicher Erfahrung Lügen. Vor allem, wenn man die Menschen kennenlernt. Da singen ein ehemaliger Rebell und ein Militär zusammen in einem Chor. Und sie singen von dem, dass es mal besser wird. Im Himmel. Mit Überzeugung singen und tanzen sie diese Botschaft zusammen – ehemalige Feinde. Menschen, die aufeinander geschossen haben. Einer war bei der Zerstörung der Gebäude dabei. Die Gebäude, in denen er jetzt Gott lobt und ihm singt. Beeindruckend und zu Tränen rührend ist diese Geschichte. Vieles macht diesen Gottesdienst speziell. Und es ist nicht die Batterie des Lastwagens, die das Piano antreibt oder dass die Hälfte der Gottesdienstbesucher Kinder sind. Nein, es ist die Art, wie die Menschen zueinander und zu Gott finden. Nach 30 Minuten werde ich dann gefragt, ob ich die Predigt halten kann. Einfach so. Als Besucher kann man da nicht nein sagen, selbst wenn man nichts vorbereitet hat und sich auf die Zuhörer Rolle eingestellt hat. Und es ist ein Privileg vor so einer Gemeinde predigen zu dürfen. In mangelhaftem Französisch mit einer guten Übersetzung spreche ich von dem, wie Gott den Menschen sieht. Selbst wenn er bitterarm ist, sieht Gott einen Menschen, der blüht, einen der Früchte trägt. Ein Text und eine Botschaft, die die Herzen aufschließt. Ein Text aus 1. Samuel, über den ich schon in Deutschland, in Kanada und in Italien mit jeweils anderen Beispielen in Gemeinden nachgedacht habe. Und es zeigt sich, wie weltweit gültig Gottes Ideen für den Menschen sind, wie der Kern des Menschen gleich ist – kulturunabhängig.
Nach drei Stunden gehen wir auseinander. Umgeben von Soldaten, denn das Gelände wird inzwischen als Kaserne genutzt, trennen wir uns. Und dann wieder so ein Zeichen des Speziellen. Eine Frau, weit über 60 Jahre alt (für burundische Verhältnisse ist diese Frau steinalt) lädt uns ein zu bleiben. Hat kaum Geld und zahlt uns ein Getränk. Einfach so. „Weil es ein Zeichen der Hoffnung ist, dass ihr da seid – wir sind nicht vergessen,“ spricht sie auf Französisch – auch unüblich für eine Frau in ihrem Alter. Als Beschenkter geht man dann Heim und fragt sich, wie man so einem armen Viertel helfen kann. Helfen ohne dieses Miteinander zu zerstören. Helfen, dass diese Versöhnungsbereitschaft und Hoffnung Schule machen kann.

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